FAJ: Von der Bezugsgruppe zur Jugendgewerkschaft

An der diesjährigen Generalversammlung hat sich die Freie Arbeiter*innen Jugend FAJ formell als Sektion der FAU gegründet. Trotz der positiven Rückmeldungen aus der linksradikalen Szene steckt die frische Jugendgewerkschaft jetzt schon in mehreren Spannungsfeldern fest. Es handelt sich dabei um Herausforderungen, welche die FAJ noch lange begleiten werden und (sofern überwunden) das Potential der gesamten FAU massgeblich entfalten könnten.


RJZ, RJBW, AKABW – Es gibt eine ganze Stange an linken Bewegungen, deren Kürzel immer auf dieselben Ideen zurückgreifen. Manchmal ein „Bündnis“ manchmal eine „Plattform“, ganz häufig eine „Aktion“ oder eine „Jugend“. Grundsätzlich wichtig ist es dabei, seine ausserparlamentarische und kämpferische Seite zu zeigen: „revolutionär“, „rot“ und „antikapitalistisch“ gehören da zu den beliebtesten Begriffen. Unter diesen Gruppen befindet sich auch die Freie Arbeiter:innen Jugend FAJ, die wohl marketingtechnisch besser „revolutionär-antikapitalistisches Gewerkschaftsjugendbündnis mit basisdemokratischer Charakteristik RAGJBBDC“ heissen würde. Doch so heisst sie nicht – und das ist nicht ihr einziger Unterschied zu dem farbigen Haufen unkoordinierter Lokalanarchist:innen.


Gewerkschaft als Konzept

Unter ihrer Fahne verbindet die FAJ zurzeit plus/minus fünfzehn aktive Mitglieder. Die meisten von ihnen haben sich zuvor noch nie aktivistisch organisiert. Dafür ist die Gruppe divers: gebürtige Schweizer:innen treffen auf „frische“ Migrant:innen, Bullshitjobarbeiter:innen auf Philosophiestudent:innen. Was sie verbindet, ist mehr als nur die Sympathie für umstürzlerisches Gedankengut. Es geht ihnen um die strategische Verteidigung ihrer (Arbeits-)Rechte.

Dieser gewerkschaftliche Ansatz hebt sich von der Bezugsgruppenlogik anderer linksradikaler Jugendgruppierungen deutlich ab und macht die FAJ gleichzeitig zu einem interessanten Angebot für nicht direkt anarch@-syndikalistische Jugendliche. Genau aus diesem Grund heisst die frische Jugendgewerkschaft auch nicht ASJ (Anarch@-syndikalistische Jugend, analog zu FAU-Jugenden in DE/AT): Ziel ist eine selbstorganisierte Interessengemeinschaft junger Arbeiter:innen, nicht ein schwarz-roter Ideenverein.


Zwischen Massentauglichkeit und Ideologie

Damit steckt die FAJ in einem Spannungsfeld: Viele junge Anarch@s fühlen sich vom Konzept angesprochen, schieben die FAJ mit ihrem Beitritt jedoch automatisch in die Richtung einer subkulturellen Bezugsgruppe. Diese Problematik ist bei der FAU an sich nichts neues, kristallisiert sich für die Jugendgewerkschaft jedoch besonders stark heraus.

Eines ist klar: Als Kleinst- und Richtungsgewerkschaft kann die FAU Schweiz nicht wirklich einen substanziellen Teil zum Klassenkampf beitragen. Doch als Dachorganisation fehlt ihr ohnehin die Bewegungsfreiheit, sich auf strukturelle Experimente einzulassen. Anders sieht dies bei der FAJ aus: Sie könnte als „Innovationshub“ (wie der moderne, Elon-Musk-verehrende BWL-Student vermutlich sagen würde) für die gesamte FAU dienen. Ihre niederschwelligen Entscheidungsprozesse könnten mit praxisorientiertem Experimentieren ein Organisationsmodell kreieren, das selbstorganisiert und kapitalismuskritisch ist, gleichzeitig aber auch grosses Wachstumspotential ermöglicht. Ergo, die Gewerkschaftsarbeit mit Bewegungscharakter würzen.


Gewerkschaftsarbeit sexy machen


Im Endeffekt kommt die Idee des experimentellen Praxisbezugs gut an. „Endlich mal eine anarchistische Instagram-Page, die nicht total Cringe ist“ ist in den Instagram-Kommentaren der FAJ beispielsweise zu lesen. Diese Gefühlslage lässt sich jedoch nur wahren, wenn die FAJ weiterhin ihren Spagat zwischen radikaler Selbstorganisation und Massentauglichkeit ausbaut. Die Mitglieder der FAJ bekommen häufig Interessenanfragen von Jugendlichen, welche die Worte „Gewerkschaft“ und „Syndikalismus“ bis an hin maximal mal in einer SRF-Doku gehört haben. Diese Tendenz gilt es beizubehalten – und gleichzeitig den Flickenteppich an autonomen Jugendgruppen gewerkschaftlich zu organisieren.

 

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