Klassenhusky und die Vollkasko-Mentalität

Ich habe wieder mal Radio gehört und was hat sich mir dabei das Fell gesträubt! Daniel Kalt, Chefökonom der UBS Schweiz, zeigt im Interview mit SRF 4, wie man gegen unten stiefelt und gegen oben leckt. Wer, wie ich, unter dem Medianeinkommen von rund 6600 Franken/Monat liegt, dem wird ein paar Mal die Galle hochkochen. Gehen wir die Höhepunkte durch.

Seid dankbar!


Grundsätzlich sollt ihr mal alle froh sein, dass ihr in der Schweiz lebt, wo das Leben schön und angenehm ist und niemand zurück stecken muss. Wie, du musst beim Essen sparen, um die Nebenkosten zu bezahlen? Dann geh doch nach Deutschland, dort haben sie eine viel höhere Inflation, dort kannst du dir noch weniger leisten!!! Und überhaupt sei die Politik in einen Krisenmodus verfallen und glaube, dass der Staat immer in die Lücke springen müsse. Wegen den mickrigen 3% Teuerung müsse man nicht in einen Hyperaktivismus verfallen. Diese „Vollkaskomentalität“, diese (schauder) Anspruchshaltung gegenüber dem Staat sei schädlich. Denn die einzigen, die etwas vom Staat fordern dürfen sind natürlich die, die einen UBS-Chefökonom brauchen: Für sie gibt es weiterhin Steuersenkungen und Handelserleichterungen. Und wenn die Habenichtse nicht genügend Kuchen essen wollen und undankbarer weise aufmüpfig werden, dann, ja dann darf man auch Gummiknüppel vom Staat fordern. Es kann ja nicht sein, dass ein von der Gesellschaft erwirtschaftetes Vermögen, mit der Gesellschaft geteilt werden muss, nein nein, das ist das rechtmässige Eigentum von denjenigen, die die Arbeit erst möglich gemacht haben. Also denen, den das Firmenschild gehört, nicht jetzt denen, die die Arbeit wirklich machen.

 


Und überhaupt sei doch die Teuerung in einem normalen Rahmen, wir sollen aufhören zu jammern, die Krankenkassenprämien steigen im Schnitt von 2020-22 doch nur die normalen durchschnittlichen 3%, so wie immer, das ist naturgegeben. Löhne hingegen, die steigen nicht einfach so. Die muss jemand erhöhen. Also gnädigerweise gewähren, das ist Goodwill, keine natürliche Sache. Und überhaupt nächstes Jahr werde alles viel besser, da erwartet uns laut dem feinen Herrn Kalt glorreiche Zeiten. Wie? Nein, natürlich keine Kaufkrafterhöhung, keine negative Inflation, sondern natürlich eine kleinere Verteuerung. Deswegen sind die Massnahmen, die jetzt ergriffen werden auch schon viel zu viel. Die Schweiz wird von ihm auch als Nachahmerin der idiotischen Politik von Liz Truss dargestellt (wir erinnern uns: Turbo-Liberalismus mit Steuersenkungen für die Reichen, mit Schulden für alle finanziert): Der Staat verteile Geld mit der Giesskanne und das sei eine falsche, verheerende Politik, der sich verabschiedende Finanzminister Ueli Maurer sage dann auch, dass früher nicht über 3% Inflation diskutiert wurde. Hyperaktivismus nennt Daniel Kalt  die spärlichen Ausgleiche, die nach den harten Pandemiejahren beschlossen werden. Dass die Reallöhne seit den Neunziger Jahren abgeschmiert sind, während die Reichen sehr viel reicher wurden, ist  keiner Erwähnung wert. Er schwelgt lieber in Merksätzen aus dem liberalen Handbuch: „Hohe Preise haben einen selbst dämpfenden Effekt.“ Oder wie ich das nennen würde: Wenn niemand mehr die Kohle hat, um etwas zu kaufen, gehen auch die Firmen bankrott.

Lohnerhöhungen böööse


Den nächsten Evergreen der Wirtschaftsliberalen stimmt er auch gleich an: die Lohn-Preis-Spirale. Eine Theorie, die so sehr rhetorisches Kampfmittel und so wenig wissenschaftlich beweisbar ist, dass sie sogar in den Wirtschaftswissenschaften in Zweifel gezogen wird. Zu diesen herbeigeschwafelten Preisanstieg, weil die Löhne steigen, blickt er in die Glaskugel und sagt, dass die Gefahr in gewissen Bereichen besteht. Besonders bei den „Dienstleistungen, wo viel Arbeit drin steckt“. Wo, dass nach dieser Logik anscheinend sehr viel Arbeit drin steckt, sehen wir bei den aktuellen Lohnentwicklungen: Fast alle werden Ende Jahr weniger im Sack haben, ausser die  Banker*innen. Die arbeiten ja schliesslich auch viel, viel, viiiiiiiiiel mehr, als Pfleger*innen, Kellner*innen, Köch*innen, Reiniger*innen und Landarbeiter*innen. Wann genau haben wir genug oft die andere Backe hingehalten? Selbst wenn ich grosszügig rechne, habe ich nämlich nur vier.

Euer Klassenhusky

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