Ökologie von unten? Wie soll das gehen?

Strike For Future, April 2022

Das Thema des diesjährigen Strike for Future ist die Arbeitszeitverkürzung. Der Kampf für mehr Freizeit ist eine alte Forderung der Arbeiter*innenbewegung und trotzdem immer noch aktuell. Das gilt besonders für die Schweiz: Hier konnte die berühmte 40 Stundenwoche bis heute nicht erkämpft werden.

Was hat aber die Arbeitszeitverkürzung mit der Klimakrise zu tun? Auf den ersten Blick scheint es einfach zu sein: Wenn die Arbeitszeit kürzer wird, stossen wir weniger Treibhausgase aus.

Weniger arbeiten?


Leider ist die Realität bei weitem nicht so einfach: In den letzten Jahrzehnten konnte immer mehr in immer kürzerer Arbeitszeit geleistet werden. Die Produktivität stieg also trotz sinkender Arbeitszeit. Und zwar in fast allen Ländern. Dafür gibt es verschiedene Gründe, einer der wichtigsten ist die Zunahme der Arbeitsdichte. Vereinfacht gesagt arbeiten wir heute in der gleichen Arbeitszeit viel mehr und produzieren dadurch auch mehr Güter und Dienstleistungen als noch vor einer Generation. Und dieser Trend verstärkt sich ständig und überall.

Wenn Arbeitszeitverkürzung nun nicht zu einem Rückgang der Emissionen führt, warum wird sie dann zum Thema des Strike for Future gemacht? Zunächst liegt dies an der Doppelzüngigkeit von Organisationen des SGB (Schweizerischer Gewerkschaftsbund) wie UNIA und Syndicom. Insbesondere Syndicom spricht gegenüber den Arbeitgeber*innen davon, dass mit Arbeitszeitverkürzungen die Produktivität gleich bleibt oder sich sogar steigert - gegenüber der Klimabewegung sprechen sie aber von geringeren Emissionen.

Das Argument, dass kürzere Arbeitszeiten die Produktivität und Gewinne der Unternehmen vergrössern, wird immer wieder von Vertreter*innen der institutionellen Linken und "Ökonomen" der institutionellen Gewerkschaftsbewegung aufgegriffen. Das sich der SGB gegen solche Forderungen sperrt, ist kein neues Phänomen - die Reduzierung des Arbeitsrhythmus' wurde gegen den Willen des SGB in den Strike for Future aufgenommen. Solches Verhalten lässt sich bei jedem Thema aufs Neue beobachten und gehört zu den Widersprüchen, welche den institutionellen Syndikalismus und vor allem den SGB durchziehen. Es soll aber hier nicht weiter darauf eingegangen werden.

Wie können wir für eine Arbeitszeitverkürzung kämpfen, die unser Leben erleichtert und auch ein wirksames Mittel im Kampf gegen die Klimakrise ist?

 

Arbeit heute


Die heutigen Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten sind geprägt von: unregelmässigen Arbeitszeiten; kurzfristig bekannt gegebenen und sich ständig ändernden Arbeitsplänen; Arbeit auf Abruf; Null-Stunden-Verträgen; aber auch ständigen Überstunden (obwohl das Gesetz dies verbietet); und schliesslich fast schon erzwungene Gratisarbeit, die wir abends und am Wochenende, zu Hause oder auf dem Arbeitsweg leisten. All diese Elemente gehören zum Alltag der meisten Arbeitnehmer*innen. Dazu kommen noch die verschiedenen Formen von Druck, Regeln und Vorgaben um die geleistete Arbeit zu erhöhen. Live-Monitoring; Verbot mit Kollegen zu sprechen; Verbot auf die Toilette zu gehen; Unterbesetzung; Disziplinarmassnahmen und organisatorische oder Management-Gewalt.


Jeder Kampf für eine Arbeitszeitverkürzung muss sich mit diesen Formen der Arbeitsorganisation befassen: Es geht nicht nur darum, weniger lange oder einen Tag weniger in der Woche zu arbeiten. Es geht nicht nur darum, durch klare Arbeitszeiten die Kontrolle über unser Leben zurückzugewinnen. Es geht nicht nur darum, dass wir einen Lohn bekommen der uns ein würdiges Leben ermöglicht. Es geht darum, dass wir die Kontrolle über den Arbeitsrhythmus und die Arbeitsgestaltung zurückgewinnen.

 

Der Kampf ist der Schlüssel


Um dies zu erreichen, können wir uns nicht auf Volksinitiativen verlassen. Denn seit das Initiativrecht 1891 eingeführt wurde, sind nur etwas mehr als 20 Initiativen zustande gekommen. Darunter sind auch einige mit rassistischem oder fremdenfeindlichem Charakter. Die wenigen sozialen Initiativen, die angenommen wurden, werden im Parlament jahrelang blockiert und systematisch in ihrer Umsetzung eingeschränkt. Genau das passiert im Moment mit der Pflegeinitiative.

 


Wir können uns auch nicht auf die „kalten“ Verhandlungen verlassen, die der SGB so sehr liebt. Es bringt nichts, blutleere Forderungen an die Arbeitgeber*innen zu stellen ohne dass wir die Möglichkeit haben, eine direkte Konfrontation mit diesen zu gewinnen. Sonst ist die Arbeiter*innenbewegung keine Bewegung mit eigener Kraft, sondern nur noch eine Lobbyorganisation.

Um es ganz klar zu sagen: Wir können die Klimakrise nicht mit den Instrumenten der Marktwirtschaft bekämpfen. Es ist überflüssig den Unternehmer*innen ihr Interesse am Bekämpfen der Klimakrise zu erklären: Bis jetzt haben sie die sogenannten ausgelagerten Kosten immer auf die Allgemeinheit abgewälzt. Und genau das passiert jetzt auch – die Unternehmer*innen erwarten, dass die Gesellschaft für die Kosten der Klimakrise aufkommt. Noch absurder ist die Hoffnung, dass der Kampf gegen die Klimakrise zu einem profitablen Geschäft wird und die Unternehmen von sich aus ihre Wirtschaftskonzepte über den Haufen werfen und von da an im Einklang mit den Bedürfnissen der Natur handeln. Auf solches zu setzen bedeutet den sicheren kollektiven Selbstmord!

Ändern wir die Welt!


Die Arbeitswelt wird von der kapitalistischen Produktionsweise beherrscht: Wie und was produziert wird, welche Rohstoffe eingesetzt werden und unter welchen Bedingungen Menschen arbeiten - alles ist der Profitmaximierung unterworfen. Zum Beispiel wird eine schwindelerregende Menge von Ressourcen verschwendet um Güter zu produzieren, die nie in den Verkauf gelangen. Sie werden nur hergestellt, um das Verhältnis von Produktionskosten zu Verkaufspreisen zu optimieren.

Wir haben noch eine Chance, weiterhin auf diesem Planeten leben zu können. Um dieses Ziel zu erreichen haben wir aber keine andere Wahl, als die Produktionsweise und das zugrunde liegende Wirtschaftskonzept sowie die materiellen Interessen der Besitzenden direkt anzugreifen. Dies kann nur geschehen, wenn wir uns organisieren und in eine direkte Konfrontation zwischen ihnen und uns eintreten. Dafür müssen wir unsere Kräfte sammeln. Die Basisgewerkschaften können hier viel beitragen. Es gelingt uns Kämpfe zu führen und zu gewinnen, einige mögen klein sein, andere bedeutender. Aber wie kommen wir voran?

 

Drei Richtungen


Aus den obigen Punkten können wir drei Stossrichtungen ableiten:

1. Der Kampf für kürzere Arbeitszeiten ist eng verbunden mit den Auseinandersetzungen um schwankende Pensen, schlechte Arbeitsbedingungen, erzwungene Flexibilität und den daraus entstehenden schlechten Löhnen. Die Arbeitszeitverkürzung kann nicht unabhängig davon gefordert und erkämpft werden. Diese Verknüpfung führt zur Forderung nach einem «Lebenslohn» wie er von Bernard Friot vorgeschlagen wird.

2. Wenn wir die Klimakrise ernsthaft bekämpfen wollen, müssen wir auch unser Wirtschaftssystem in Frage stellen. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Wirtschaft unseren sozialen Bedürfnissen und den ökologischen Möglichkeiten entspricht. Das können wir Schritt für Schritt erreichen, in dem wir uns auf unserer Arbeit und unserem Umfeld dafür einsetzen. Ganz egal, ob es dabei um Arbeitssicherheit, um unsere Gesundheit oder um das Vergiften der Umwelt geht. Wenn wir direkt für solche Forderungen einstehen, schärfen wir die Wahrnehmung solcher Probleme und erschaffen eine neue ökologische und soziale Kultur. Diese Kultur ist genauso Teil der politischen und gewerkschaftlichen Arbeit wie Lohn, Arbeitsplatzsicherheit oder Arbeitsplätze, die uns nicht kaputt machen


3. Wir müssen alles bewegen, können das aber noch nicht. Das bedeutet aber, dass wir an der von uns vorgeschlagenen Alternative bauen und für sie kämpfen können. In jeder Auseinandersetzung, in jedem Bereich können wir uns für soziale und ökologische Fortschritte einsetzen. Und jede dieser Auseinandersetzungen kann uns helfen, unsere Ziele und Vorschläge zu verbessern. Wir können versuchen, die Erfolge anderer Kämpfe in unseren auch zu erreichen und so Erfolge zu verallgemeinern. Wir können unsere Kämpfe miteinander verbinden und eine Kultur schaffen, in der wir ganz selbstverständlich für unsere Würde und Rechte eintreten und unsere Zukunft selber bestimmen. Das macht unsere politische Arbeit und die sozialen Kämpfe, an denen wir uns beteiligen, aus.

Syndibasa

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