Sudan: Ein Pakt mit dem Teufel?

Am 4. August, fast genau zwei Monate nach dem Massaker in der Hauptstadt Khartoum, unterzeichnete das oppositionelle Bündnis Forces of Freedom and Change FFC einen Pakt mit dem Militärrat, welcher das Massaker wahrscheinlich angeordnet hat. Besonders die revolutionären Kräfte sehen darin einen Verrat der Revolution. Und wenn es die FFC ernst meinen sollten mit Demokratie, ist die Gefahr einer Militärdiktatur noch lange nicht gebändigt.

Militär hat sich an die Macht geputscht


Ende 2018 nahmen die Proteste im Sudan massiv zu, so dass sich der damalige Diktator Omar Al-Bashir nicht mehr an der Macht halten konnte1. Das Militär übernahm im Sudan die volle Macht, als es den verhassten Diktator Al-Bashir im April schlussendlich stürzte. Doch schon während seines dreissigjährigen Regimes war das Militär an der Macht beteiligt, hatte ihn sogar an die Spitze geputscht. Nach einer Weile der Ruhe, kam es nach dem Sturz zu weiteren Protesten, worauf das Militär Anfangs Juni mit einem Massaker an Demonstrant*innen in Karthoum antwortete. Dabei kamen über hundert Menschen ums Leben und es kam auch zu Massenvergewaltigungen und anderen Gewalttaten. Seither gab es fast täglich Tote, vor allem in Sudans Peripherie – und trotzdem blieben die Proteste recht friedlich.


Schon lange erklingt die Forderung auf den Strassen, dass der temporäre Militärrat die Macht an die Bevölkerung abgeben müsse. Die Internetzensur, die Morde und Vergewaltigungen durch die Militärregierung haben wenig an der Entschlossenheit der Revolutionär*innen geändert. Zwischenzeitlich stiegen aus Protest gegen die Repression wichtige Teile der Forces of Freedom and Change FFC aus den Verhandlungen mit dem Militär aus, darunter zum Beispiel die kommunistische Partei des Sudans. Doch nun hat sich der FFC doch noch zu einem faulen Kompromiss mit der Regierung durchgerungen und am 4. August eine Constitutional Declaration2 mit dem Militär unterschrieben.


Verrat der Revolution?


Die Revolution im Sudan nahm Ende 2018 fahrt auf, nachdem die Preise durch die Inflation massiv anstiegen. Bei den Massenprotesten und -Streiks waren anfangs die verbotenen Gewerkschaften und die Nachbarschaftskomitees federführend. Schon bald bildeten sich die Forces of Freedom and Change heraus, ein sehr loses Bündnis der verschiedenen Menschen auf und abseits der Strasse. Doch nachdem das Militär am 3. Juni den Kurs mit dem Massaker wechselte, schwand auch die Bereitschaft in der Bevölkerung zu Verhandlungen mit den Militärs. Zudem gibt es in der Constitutional Declaration nur mangelhafte Massnahmen, um Militär, den Geheimdienst NISS oder die berüchtigten Rapid Support Forces RSF, denen die Hauptschuld am Massaker gegeben wird, einzuschränken. Der Vertrag erscheint vielmehr als ein Bündnis der Schafe mit den Wölfen. Hier scheinen zu viele Staatsgläubige zu hoffen, dass sich das Militär aufgrund eines Stück Papiers mässigen würde oder gar tatsächlich an einer Art Demokratie interessiert sei.


Die Mörderbanden bleiben unbehelligt


Nach den Massakern vom 3. Juni war eine zentrale Forderung Gerechtigkeit für die Opfer. Die unterschriebene Deklaration sichert den Mörderbanden des TMC hingegen eher eine Möglichkeit zu, sich der Verantwortung zu entziehen. Es wurden zwar Untersuchungen der Massaker angekündigt, diese werden aber höchstwahrscheinlich ins Leere laufen oder nur die unteren Kader treffen. Denn die in der Deklaration erwähnten Gerichte sind noch nicht einmal eingerichtet. Zudem geniessen Mitglieder der Regierung gewisse Immunität.   


Hemeti, der starke Mann des Militärrats ist zudem Anführer der berüchtigten Rapid Support Forces RSF. Deren Vorgänger, die Janjaweed-Milizen waren an den Genoziden im Darfur-Konflikt beteiligt. Die RSF rüstet weiterhin andere Milizen in Afrika mit Waffen und Geld aus, um regional an Macht zu gewinnen. Für alle Angehörigen der Opfer ist es ein Hohn, wenn die FFC-Opposition während der Unterzeichnung des Vertrags die Hand des Massenmörders Hemeti schüttelt. Mit ihm an der Macht kann der Sudan kaum auf Frieden hoffen. Und tatsächlich kam es selbst nach der Unterzeichnung des Vertrags noch zu Übergriffen der RSF in Darfur.


Militär bleibt an der Macht


Drei Jahre soll die Übergangszeit zu einer „Demokratie“ dauern, in dieser Zeit regieren verschiedene Minister*innen und der Souveräne Rat (Sovereign Council). Der Souveräne Rat besteht aus 11 Menschen zusammengesetzt aus 5 Militärs, 5 FFC-Ernannten und einem Kompromissmitglied der beiden. Dabei braucht der Rat eine Mehrheit von 8 Mitgliedern für Entscheidungen. Daher ist zu erwarten, dass der Rat kaum etwas erreichen wird, was das Machtgefüge im Sudan ernsthaft ändern wird. Zudem stellt das Militär die ersten 2 Jahre noch den Ratspräsidenten, erst danach kommt die zivile Opposition zum Zug.


Selbstbestimmung der Bevölkerung bleibt unerfüllt


Erst in drei Jahren soll es zu regulären Wahlen kommen. Zwischenzeitlich wird zwar ein Parlament ernannt, wobei 67% davon vom FFC gestellt wird. Doch darüber entscheidet nicht das Volk. Anstatt also sofort die jetzt schon gut funktionierenden Nachbarschaftskomitees einzubinden und diese mit Arbeiter*innen- oder gar Soldat*innenräten zu ergänzen, versuchen die FFC sich in der Konstruktion eines Staats. Deswegen wird auch die Kritik immer lauter, die FFC strebe nach Macht und nicht nach der Befreiung des Sudans.

 

Spiel mit dem Feuer


Die revolutionäre Opposition, welche genug von der Militärjunta hat, warnt schon jetzt die Bevölkerung, wachsam zu bleiben. Denn das Militär behält mit der Charta immer noch massive Kompetenzen. Es ist nicht auszuschliessen, dass früher oder später die zivilen Mitglieder des Souveränen Rats verhaftet, entmachtet oder schlicht übergangen werden. Denn in der Deklaration selbst sind viele Kompetenzen, z.B. auch jene des Ratspräsidenten nicht klar umrissen. Genau dies könnte das Militär in den Anfängen ausnutzen. Zudem sind auch Notstandsgesetze inklusive Internetsperren vorgesehen, jedoch nur mangelhaft eingegrenzt. Der Notstand kann von Staatskörpern ausgerufen werden, welche momentan noch gar nicht aufgebaut sind.

 

Revolution bleibt gefährdet


Das Militär scheint auf Zeit zu spielen, denn die seit einem halben Jahr anhaltenden Proteste waren ein massives Problem für die Regierung, welches das Militär selbst mit Gewalt und einer Internetsperre nicht lösen konnte. Der faule Kompromiss hat bereits zu Spannungen in den revolutionären Kräften geführt. Nebst den Kommunist*innen lehnen auch die Kämpfer*innen der oppositionellen Sudanese Liberation Army die Regierungsbeteiligung des Militärs ab. Die Sudanesische Revolution läuft mit dessen Institutionalisierung Gefahr, das gleiche Schicksal zu erfahren, wie die Ägyptische Revolution. Auch diese wurde im Namen der Revolution vom Militär gekapert und niedergeschlagen.

 


FAT

Zurück